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12.05.2024

Silofahrzeuge, Roboterprogrammierung und Nanopflaster: Das war die 21. Tagung Schweißen

Silofahrzeuge, Roboterprogrammierung und Nanopflaster: Das war die 21. Tagung „Schweißen in der maritimen Technik und im Ingenieurbau“

Zwei vielseitige und inspirierende Tage liegen hinter der SLV Nord: die 21. Tagung „Schweißen in der maritimen Technik und im Ingenieurbau“ am 24./25. April 2024. Rund 120 Vertreter der schweißtechnischen Fachwelt und 11 ausstellende Unternehmen trafen sich in Hamburg zu der traditionsreichen Fortbildungs- und Networking-Veranstaltung. Als besonders Highlight stand dieses Jahr neben zehn hochaktuellen Fachvorträgen eine exklusive Führung durch die beeindruckenden Werkhallen der Feldbinder Spezialfahrzeugwerke GmbH in Winsen (Luhe) auf dem Programm, einem Hersteller von Silo- und Tankfahrzeugen.

Vom Blech zum LKW: In den Produktionshallen von Feldbinder

Hierbei hatten die Teilnehmer die einmalige Gelegenheit, den gesamten Fertigungsprozess vom blanken Aluminiumblech bis zum fertigen Silofahrzeug nachzuvollziehen. Aus nächster Nähe lernten die Gäste hochkomplexe Schweißanlagen kennen, mit denen das Unternehmen den speziellen Erfordernissen des Druckbehälterbaus begegnet, so zum Beispiel die bei der Längsnaht-Verschweißung eingesetzte Friction-Stir-Welding-Maschine oder die „Master-Slave-Slave“-Kombination, die es ermöglicht, drei Rundnähte von jeweils 8 m Länge gleichzeitig zu ziehen.

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Die Teilnehmer erfuhren, wie automatisiertes und Von-Hand-Schweißen sich in den zahlreichen Arbeitsschritten auf dem Weg zum fertigen Fahrzeug optimal ergänzen und hörten dabei manch Anekdote aus dem Alltagsgeschäft des seit fast 50 Jahren tätigen deutschen Familienunternehmens.

Geteiltes Schmelzbad: Schweißer kommunizieren per Klopfzeichen

Am folgenden Vortragstag erfuhr das Exkursionsthema noch einmal eine fachliche Vertiefung: Christoph Nentwig von Feldbinder erläuterte eindrücklich die großen Herausforderungen, denen der Druckbehälterbau gegenübersteht: Die Fahrzeuge sollen leicht sein, größtmögliches Volumen transportieren und eine möglichst lange Lebensdauer haben. Besonders hohe Ansprüche werden zudem an die Qualität der Innenwände gestellt: Da das rieselförmige Gut, ob Baustoff, Lebens- oder Futtermittel, den Silobehälter rückstandslos wieder verlassen muss, dürfen hier keine Schweißnahtwurzeln hervorstehen. Die geforderte Glätte erzielt Feldbinder zum einen durch das Friction-Stir-Welding, zum anderen durch Gegenschweißen auf der Innenseite der Druckbehälter. Handfertigkeiten wie auch eingeübtes Zusammenspiel der Schweißer werden indes beim synchronen WIG-Schweißen der Stumpfnähte auf eindrückliche Weise herausgefordert: Zwei Schweißer schweißen hierbei gleichzeitig an Außen- und Innenseite im selben Schmelzbad – die Verständigung geschieht per Klopfzeichen.

„Der Markt ändert sich, doch die Norm leider nicht!“ – so lautete das Fazit des zweiten Vortrags des ersten Themenblocks „Herausforderungen für die Zukunft“. Daniel Strötgen von Tata Steel erläuterte die verschiedenen aktuellen Herstellungsverfahren von Hohlprofilen, deren Einsatzgebiete von Achsen in Fahrgestellen bis hin zu Flughafendächern reichen. Die verschiedenen Fertigungsprozesse könnten zu mannigfachen geometrischen, metallurgischen und mechanischen Eigenschaften führen, so der Experte – die Norm EN 10210 für warmgefertigte Hohlprofile spiegle diesen technischen Fortschritt allerdings nicht wider. Die Richtlinie bliebe in vielen Bereichen vage, was es Anwendern oft schwer mache, die konkreten technischen Eigenschaften ihres Produkts einzuschätzen. Strötgens Tipp daher: Um keine bösen Überraschungen zu erleben, lieber einmal mehr beim Hersteller nachfragen und sich genau mit dessen Produktionsverfahren vertraut machen!

Armin Schlieter, Geschäftsführer der SLV Nord, begrüßt die Teilnehmer am Vortragstag. - © SLV Nord
Armin Schlieter, Geschäftsführer der SLV Nord, begrüßt die Teilnehmer am Vortragstag. © SLV Nord
Laser-Hybridschweißen: Magnetkraft hält Schmelze fest

Das Thema Schweißen dickwandiger Stähle eröffnete nach kurzer Kaffeepause den Block „Praktische Anwendungen und Erfahrungen“. Dr.-Ing. Christian Brunner-Schwer von der WeldNova GmbH an der Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung stellte das Laser-Hybridschweißen als ein Hochleistungsschweißverfahren vor, das sich z. B. durch hohe Eindringtiefe und geringen Verzug auszeichnet. Ein Problem allerdings: Die Schmelze tropft leicht nach unten aus, sobald die Schwerkraft höher ist als die Oberflächenspannung des Tropfens. Hier präsentierte Brunner-Schwer die elektromagnetische Schweißbadsicherung als innovative Lösung: Ein oszillierendes Magnetfeld, orthogonal zur Schweißrichtung induziert Wirbelströme parallel zur Schweißrichtung, sodass die dadurch generierte nach oben zeigende Lorentzkraft dem hydrostatischen Druck entgegenwirkt und das Austropfen verhindert. Unter Einsatz dieser Technik sei das Laser-Hybridschweißen ein für dicke Bleche ausgezeichnet geeignetes Verfahren – bei der Herstellung von Windtürmen führe es z. B. zu 8x höherer Produktivität, 90% weniger Kosten und 15x weniger CO2-Emissionen.

Einen Ausflug in völlig andere Materialwelten – Kunststoff! – bedeutete der darauffolgende Vortrag von Julian Backes von der Georg Fischer GmbH. Backes stellte die gängigen schweißbaren Kunststoffe vor, die in Rohrleitungssystemen von Schiffen verwendet werden – Polybuten (PB), Polyehtylen (PE) und Polypropylen (PP) – und erläuterte die hierbei relevanten Schweißverfahren Muffenschweißen, Stumpfschweißen und Elektroschweißen. Warum Kunststoff statt Metall? Hierfür spreche vieles, wie Backes nachdrücklich betonte: Zum einen hielten Kunststoffrohre dank ihrer Korrosionsbeständigkeit trotz der aggressiven Umweltbedingungen im maritimen Umfeld ein ganzes Schiffsleben lang. Zum anderen führe ihr geringes Gewicht zu einer besseren Energieeffizienz, und schließlich seien Kunststoffrohre durch ihre Flexibilität in der Lage, sich an verschiedene Konstruktionsanforderungen anzupassen und Bewegungen der Schiffskörper auszugleichen.

„Thermisches Richten – keine schwarze Magie mit der richtigen Theorie!“ – so lautete der letzte Vortrag der zwei Tage geballten Fachwissens. Thomas Vauderwange von der VauQuadrat GmbH sprach sich hierbei gegen den von ihm beobachteten Trend zum Kaltrichten von Schweißverzug aus, der oft der Angst geschuldet sei, beim Richten per Flamme das Material zu schädigen. Anhand einer ausführlichen wissenschaftlichen Betrachtung der Wirkprinzipien des thermischen Richtens machte er deutlich, dass es sich hierbei um einen verlässlichen, berechenbaren Prozess handelt, und gab zahlreiche praktische Hinweise zur richtigen Durchführung.

Die Veranstalter bedanken uns bei allen Referenten ganz herzlich für die Informationsfülle ihrer Vorträge, die kurzweiligen Präsentationen sowie die anschaulichen Videos und Bilder. Auch den Teilnehmerinnen und Teilnehmern gilt ihr Dank, die die Tagung durch ihre zahlreichen interessierten Nachfragen auch dieses Jahr wieder zu einem lebendigen Ort des Austauschs werden ließen.

Die 22. Tagung  „Schweißen in der maritimen Technik und im Ingenieurbau“ findet am  7./8. Mai 2025, wie gewohnt im Hotel Hafen Hamburg statt. Wenn Sie Vortragsvorschläge oder auch Ideen für spannende Exkursionsziele haben, schreiben Sie uns gern an tagungsbuero@slv-nord.de

(Quelle: SLV Nord gGmbH)

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