Beim Gedanken ans Handschweißen entstehen oft Bilder von gleißenden Lichtbögen, fliegenden Funken und aufsteigendem Rauch. Eindrucksvolle Szenen wie diese prägen das Image des Schweißens – oft als gefährlich und rau wahrgenommen. Doch dieses Bild greift zu kurz: Tatsächlich lassen sich sichtbare Risiken wie Lichtbogenstrahlung, heiße Metallspritzer oder Schweißrauch mit moderner Schutzausrüstung und klaren Sicherheitsstandards sehr gut beherrschen. Professionelle Schweißer sind bestens ausgerüstet – mit Helmen, Handschuhen und Schutzkleidung, die sie zuverlässig vor äußeren Einflüssen schützen. Was jedoch häufig unterschätzt wird, ist die unsichtbare Gefahr: der elektrische Strom.
Schon kleine Unachtsamkeiten können gravierende Folgen haben: Ein plötzlicher Zuruf, ein reflexartiger Blick zur Seite – und die ungeschützte Hand berührt die Stabelektrode. In diesem Moment wird der Körper Teil des Stromkreises. Schutz bieten isolierende Arbeitsschuhe oder eine Schweißmatte aus Nitrilgummi, die den Stromfluss zuverlässig unterbrechen.
Elektrischer Strom nimmt im Körper immer den kürzesten Weg zwischen Eintritts- und Austrittsstelle. Führt dieser etwa von Hand zu Hand, durchströmt er Arme, Oberkörper und auch lebenswichtige Organe wie das Herz – was im schlimmsten Fall tödlich enden kann.
Vorsicht vor der Leerlaufspannung
Bei handelsüblichen Elektrogeräten sind die unter Spannung stehenden Teile gegen Berührung geschützt. Beim Lichtbogen-Schweißen hingegen besteht ein erhöhtes Risiko: Werden gleichzeitig das Werkstück (Masse) und die Elektrode oder ein unisolierter Elektrodenhalter berührt, kann die Leerlaufspannung zur gefährlichen Berührungsspannung werden. In diesem Fall kommt es zu einer sogenannten Durchströmung des Körpers.
Für die Leerlaufspannung gelten – je nach Einsatzbedingungen – festgelegte Höchstgrenzen. Eine elektrische Gefährdung für den Menschen beginnt bereits bei Spannungen über 25 Volt Wechselspannung (Effektivwert) oder 60 Volt Gleichspannung, sofern gleichzeitig ein ausreichend hoher Stromfluss möglich ist.
Selbst geringe Stromstärken sind lebensgefährlich
Dringt elektrischer Strom in den Körper ein, belastet er Muskeln, Nerven und das Herz-Kreislauf-System. Die Folgen reichen von Muskelverkrampfungen und Atemstillstand bis zu kleinen, auch als Strommarken bezeichneten Verbrennungen an Ein- und Austrittsstellen des Stroms. Bereits ab 30 Milliampere besteht akute Lebensgefahr. Die sogenannte Loslassgrenze liegt bei 10–15 mA Wechselstrom und etwa 50 mA Gleichstrom. Wird sie überschritten, verhindern starke Muskelkrämpfe, dass Betroffene stromführende Teile selbstständig loslassen können – ein erhebliches Risiko im Schweißalltag.
Wechselstrom ist besonders gefährlich, da er den Herzrhythmus stören und Herzkammerflimmern auslösen kann. Häufig unterschätzt wird zudem, dass schon Stromstärken von 1 bis 10 mA unkontrollierte Reflexbewegungen hervorrufen können – mit der Gefahr von Sekundärunfällen. So können Betroffene etwa von einer Leiter stürzen oder sich auf andere Weise verletzen.
Nicht nur die Stromstärke, auch die Einwirkdauer auf den menschlichen Körper bestimmt das Verletzungsrisiko – je länger der Stromfluss, desto schwerer die gesundheitlichen Folgen. Daher ist geeignete Schutzausrüstung für Schweißfachkräfte unverzichtbar. In Europa müssen Schweißhandschuhe den Anforderungen der Norm EN 12477 entsprechen, während Arbeitsschuhe die Schutzklasse S3 gemäß EN ISO 20345 erfüllen sollten.
Wie ermittelt man die Gefahr?
Die Stromstärke (I) ist von der angelegten Spannung (U) und dem Widerstand (R) abhängig und folgt dem ohmschen Gesetz (U = R x I). Will man die Stromstärke ermitteln, kann ein Körperwiderstand (ohne Schutzausrüstung) von Hand zu Hand oder Hand zu Fuß von 1.000 Ohm angenommen werden. Besitzt das Schweißgerät laut Typenschild eine Leerlauf-Spannung von 50 V, kann gemäß dem ohmschen Gesetz (I = U / R) ein lebensgefährlicher Strom von 50 mA durch den Körper fließen.
Vorsicht beim Schweißen mit mehreren Schweißgeräten
Arbeiten Schweißfachkräfte gleichzeitig mit mehreren Schweißgeräten an einem Werkstück oder an leitend verbundenen Bauteilen, kann die entstehende Berührungsspannung – insbesondere die Leerlaufspannung – unzulässig hohe Werte erreichen. Dieser gefährliche Zustand ist oft nicht unmittelbar erkennbar.
Besonders kritisch wird es, wenn gleichzeitig mit unterschiedlicher Polung geschweißt wird: Beim Gleichstromschweißen (DC) summieren sich in diesem Fall die Leerlaufspannungen der beteiligten Schweißgeräte, was zu gefährlich hohen Spannungswerten führen kann.
Beim Schweißen mit Wechselstrom (AC) beeinflussen sowohl die Polung der Stromkreise als auch der netzseitige Anschluss der Geräte die daraus resultierende Leerlaufspannung. Unter ungünstigen Bedingungen kann die Berührungsspannung bis zur Summe aller Leerlaufspannungen der eingesetzten Geräte ansteigen. Deshalb muss vor Arbeitsbeginn mit einem Multimeter die Spannung zwischen den Schweißbrennern bzw. Elektrodenhaltern gemessen werden – beide Messspitzen werden dabei direkt angesetzt.
Arbeitgeber hat Schutz- und Informationspflicht
Effektive Schutzmaßnahmen können Arbeitsunfälle verhindern. Die Verantwortung für deren Umsetzung liegt grundsätzlich beim Arbeitgeber. Internationale Normen und Vorschriften – etwa von ISO (International Organization for Standardization), ASME (American Society of Mechanical Engineers), AWS (American Welding Society) und DIN (Deutsches Institut für Normung) – bilden die Grundlage für sichere Arbeitsbedingungen.
Schweißfachkräfte müssen über die Risiken informiert sein. Der Abstand zwischen den Schweißenden ist so zu wählen, dass kein gleichzeitiger Kontakt mit zwei Brennern oder Elektrodenhaltern möglich ist; andernfalls sind isolierende Trennwände für die Arbeitsbereiche erforderlich. Zudem ist per Messung sicherzustellen, dass die Summenspannung den zulässigen Höchstwert der Leerlaufspannung nicht überschreitet.
Was ist beim Schweißen zu beachten?
Vor Arbeitsbeginn ist der einwandfreie Zustand der Schweißgeräte zu prüfen. Nicht genutzte oder unbeaufsichtigte Geräte sind auszuschalten und vom Stromnetz zu trennen. Der Betrieb hat stets gemäß Leistungsschild und Bedienungsanleitung zu erfolgen.
Geräte mit der Schutzart IP21 dürfen ausschließlich in trockenen Innenbereichen eingesetzt werden. Für den Einsatz im Freien ist mindestens die Schutzart IP23 erforderlich. Massekabel sind möglichst nahe am Schweißbereich anzuklemmen – entweder direkt am Werkstück oder an dessen Auflage.
Bei Störungen ist die Spannungsversorgung sofort zu unterbrechen, etwa durch Ausschalten oder Ziehen des Netzsteckers. Schäden an Schweißgeräten, Netzleitungen oder Schlauchpaketen sind unverzüglich der Schweißaufsicht zu melden. Defekte Geräte dürfen weder genutzt noch eigenmächtig – etwa durch Entfernen von Abdeckungen – geöffnet werden.
Gefahren durch verschleppte Schweißströme
Ein unsachgemäßer Umgang mit Schweißgeräten birgt erhebliche Risiken. Besonders gefährlich sind falsch angeschlossene Massekabel oder unachtsam abgelegte Elektrodenhalter, da sie Schutzleitern und Schweißgeräte oder andere elektrische Geräte beschädigen können. Da Schutzunterbrechungen äußerlich oft unsichtbar bleiben, stellen defekte Geräte ein hohes Risiko für alle Nutzer dar.
Die häufigsten Ursachen für Schutzleiterunterbrechungen und daraus resultierende Unfälle sind Leichtsinn und mangelnde Aufmerksamkeit. Typische Beispiele sind unisolierte Elektrodenhalter, die auf dem Schweißgerät abgelegt werden, oder Elektrohandwerkzeuge, die während der Schweißarbeiten auf dem Schweißtisch verbleiben.
Wer die in den Normen vorgeschriebenen Schutzmaßnahmen beachtet, kann sich zuverlässig vor verschleppten Schweißströmen schützen. Die Rückleitung des Schweißstroms (Masse) sollte stets direkt am Werkstück oder dessen Auflage erfolgen – per Klemmen oder magnetischen Haftpolen. Metallstangen, Ketten oder Kranseile dürfen dafür niemals als Rückleiter genutzt werden.
Müssen Werkstücke ausnahmsweise am Kranhaken hängend geschweißt werden, ist eine sorgfältige Abschirmung erforderlich – etwa durch trockene Textilseile oder einen Isolierwirbel. Kommen während der Schweißarbeiten abgehängte Arbeitskörbe zum Einsatz, sind diese mit geeigneter Isolation zu versehen. Wird gleichzeitig geschweißt und mit Elektrowerkzeugen gearbeitet, dürfen ausschließlich schutzisolierte Geräte verwendet werden.
Arbeiten unter erhöhter elektrischer Spannung
Arbeitsplätze mit eingeschränkter Bewegungsfreiheit bergen ein höheres Risiko elektrischer Gefährdungen. Dies gilt insbesondere dann, wenn Schweißfachkräfte in Zwangshaltungen – etwa kniend – arbeiten müssen und dabei mit elektrisch leitfähigen Teilen in Kontakt kommen. Auch das Arbeiten in Bereichen, die von stromleitenden Materialien umgeben sind, bergen Gefahren. Schon zufällige Berührungen können hier Stromschläge auslösen.
Ein Pauschalmaß erleichtert die Beurteilung elektrischer Gefährdungen beim Lichtbogen-Schweißen: Beträgt der freie Bewegungsraum zwischen gegenüberliegenden leitfähigen Teilen weniger als zwei Meter (in Länge, Breite, Höhe oder Durchmesser), liegt eine erhöhte Gefährdung vor.
An nassen, feuchten oder heißen Arbeitsplätzen steigt das Risiko eines Stromunfalls. In solchen Umgebungen kann der elektrische Widerstand der Haut, der Schutzkleidung und der verwendeten Hilfsmittel durch Feuchtigkeit oder Schweiß deutlich reduziert sein. Als „nass“ gelten Arbeitsplätze, an denen die Kleidung durchfeuchtet ist und dadurch leitfähig wird – was das Risiko eines Stromunfalls erheblich erhöht.
Schutzmaßnahmen bei erhöhter elektrischer Gefährdung
Bei erhöhter elektrischer Gefährdung dürfen nur zugelassene Schweißgeräte eingesetzt werden, die mit dem Symbol [S] gekennzeichnet sind. Zusätzlich sind besondere Schutzmaßnahmen erforderlich: Schweißfachkräfte müssen durch isolierende Unterlagen oder Zwischenlagen vor elektrisch leitfähigen Teilen sowie feuchten Böden und Wänden geschützt werden.
Kann eine Abschirmung wegen zusätzlicher Gefahren – etwa Absturzrisiken – oder beengter Räume nicht erfolgen, ist das Arbeiten nur in trockener, unbeschädigter Arbeitskleidung erlaubt. Wo dies – etwa in heißen Umgebungen – nicht dauerhaft möglich ist, darf beim Lichtbogen-Handschweißen ausschließlich mit Gleichstromgeräten gearbeitet werden.
Die Leerlauf-Spannung der eingesetzten Geräte sollte – abhängig von den Schweißaufgaben und den Geräteeigenschaften – so niedrig wie möglich gehalten werden und darf 75 Volt nicht überschreiten. Schweißgeräte dürfen nicht im unmittelbaren Gefahrenbereich aufgestellt werden. Für die Fernsteuerung dieser Geräte ist Schutzkleinspannung zu verwenden.
Zudem ist sicherzustellen, dass Schweißer bei solchen Arbeiten nicht allein tätig sind – eine geeignete Schweißaufsicht ist verpflichtend. Das Schweißen unter erhöhter elektrischer Gefährdung ist ausschließlich qualifizierten Fachkräften vorbehalten.
(Quelle: Fronius International GmbH)
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