Forschung
Versuchsaufbau zur Durchführung der Phasenkontrastvideographie an Beamline P61A bei DESY Petra I - © RWTH Aachen – Lehrstuhl für Lasertechnik
03.05.2025

Mit Synchrotronstrahlung das Unsichtbare sichtbar machen

Mit Synchrotronstrahlung lassen sich Schweißprozesse so detailliert beobachten wie nie zuvor – live und in Echtzeit! Forschende des Fraunhofer ILT und der RWTH Aachen – Lehrstuhls für Lasertechnik arbeiten am DESY, um Dampfkapillaren, Schmelzebewegungen und Defekte sichtbar zu machen. Ihre Erkenntnisse optimieren Batterie- und Mikroelektronikproduktion und ebnen den Weg für neue Materialien.

Wie das Fraunhofer ILT mit Synchrotronstrahlung Industrieprozesse transformiert

Im interdisziplinären Laser Meets Synchrotron Team am Deutschen Elektronen-Synchrotron (DESY) in Hamburg arbeiten das Fraunhofer-Institut für Lasertechnik ILT und der RWTH Aachen – Lehrstuhl für Lasertechnik eng zusammen; sie forschen an grundlegenden wissenschaftlichen Fragen, aus denen industrielle Innovationen entstehen. Zu dem Konsortium gehören neben den beiden Partnern die Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, die Universität Stuttgart, die Technische Universität Ilmenau sowie die Technische Universität Wien.

Projektleiter Christoph Spurk von der RWTH Aachen koordiniert den Transport sowie den Aufbau der Anlagen, Laser und optischen Komponenten und verteilt die Aufgaben an Spezialistinnen und Spezialisten aus den Bereichen Physik, IT, Materialwissenschaft und Maschinenbau. Das Forschungsteam rotiert im Drei-Schicht-Betrieb 24/7 und führt in sieben Tagen insgesamt 700 verschiedene Experimente durch. Diese durchdringen industrielle Laserprozesse wie das Schweißen, Bohren und Schneiden mit dem Ziel, Materialeigenschaften und -verhalten besser zu verstehen und schließlich Prozesse zu optimieren. „Mit der Synchrotronstrahlung können wir im DESY realistische Laserprozesse in Echtzeit visualisieren, Dampfkapillaren, Schmelzebewegungen oder die Entstehung von Poren beobachten“, erläutert Spurk.

 

Laser Meets Synchrotron-Team am Deutschen Elektronen-Synchrotron (DESY) in Hamburg: Fraunhofer ILT, RWTH Aachen, Friedrich-Alexander Universität Erlangen Nürnberg, Universität Stuttgart, Technische Universität Ilmenau, Technische Universität Wien. - © RWTH Aachen – Lehrstuhl für Lasertechnik
Laser Meets Synchrotron-Team am Deutschen Elektronen-Synchrotron (DESY) in Hamburg: Fraunhofer ILT, RWTH Aachen, Friedrich-Alexander Universität Erlangen Nürnberg, Universität Stuttgart, Technische Universität Ilmenau, Technische Universität Wien. © RWTH Aachen – Lehrstuhl für Lasertechnik
Präzision in Echtzeit: Optimierte Laserprozesse für Industrie und Forschung

Die Forschungsergebnisse zeigen, dass durch gezielte Anpassung der Lasereinstellungen eine signifikante Reduktion von Spannungsrissen möglich ist, Porösität minimiert und die elektrische Leitfähigkeit erhöht werden kann. Dampfkapillaren und Schmelzebewegungen, die oft zu Defekten führen, wurden erstmals hochauflösend visualisiert, was eine Optimierung der Schweißprozesse für Hochleistungsbatterien ermöglicht.

Mit ihrer herausragenden Brillanz und Intensität ermöglicht Synchrotronstrahlung Untersuchungen mit einer Auflösung im Mikro- und sogar Nanometerbereich, Einblicke in feinste Materialstrukturen und dynamische Prozesse. Optiksysteme fokussieren die Laserstrahlung gezielt auf die Materialien; für die Visualisierung kommen Hochgeschwindigkeitskameras zum Einsatz, die Bildraten von bis zu 50.000 Frames pro Sekunde erreichen – Spurk und sein Team arbeiten schon an einem System, das in Zukunft 200.000 Hz erreichen soll. Zur Visualisierung des Phasenkontrasts verwendet das Team Szintillatoren, die Röntgenstrahlung in sichtbares Licht umwandeln. Ist der Kontrast immer noch zu gering, geben die Forschenden Wolfram- oder Wolfram-Karbid-Partikel ins Material. Die Partikel sind in den Aufnahmen als schwarze Punkte zu sehen und geben Aufschluss über die Schmelzebewegung.

Im Automobilsektor, der Luftfahrt, der Wasserstofftechnik oder der Mikroelektronik beispielsweise ist das fehlerfreie Schweißen von Kupferverbindungen oder Aluminiumverbindungen essenziell, dies gilt auch für Metall- und Kunststoffverbindungen. Erst durch die Echtzeitvisualisierung lassen sich kleinste Materialdefekte identifizieren, die mit konventionellen Methoden nicht sichtbar wären.

Dampfkapillaren und Schmelzebewegungen, können erstmals hochauflösend visualisiert werden, was eine Optimierung der Schweißprozesse für Hochleistungsbatterien ermöglicht. - © RWTH Aachen – Lehrstuhl für Lasertechnik
Dampfkapillaren und Schmelzebewegungen, können erstmals hochauflösend visualisiert werden, was eine Optimierung der Schweißprozesse für Hochleistungsbatterien ermöglicht. © RWTH Aachen – Lehrstuhl für Lasertechnik
Innovative Materialverbindungen: Neue Perspektiven für Elektromobilität, Luftfahrt und Mikroelektronik

„Die Untersuchung komplexer Materialkombinationen wie Kupfer-Aluminium-Verbindungen ist extrem wichtig für die Elektromobilität, wo sie in Hochleistungsbatterien und anderen kritischen Komponenten verwendet werden“, erklärt Dr. Alexander Olowinsky, Abteilungsleiter Fügen und Trennen am Fraunhofer ILT. „Dank der am DESY gewonnenen Daten können solche Verbindungen mit höherer Festigkeit und Zuverlässigkeit gefertigt werden. Im Bereich Leichtbau untersuchen wir auch andere Strukturierprozesse und die Ergebnisse fließen direkt in die Entwicklung neuer Technologien ein.“

Die Synchrotronstrahlung ermöglicht es, Spannungsrisse und ungewollte Strukturen in Aluminium-Titan-Verbindungen in der Luftfahrtindustrie frühzeitig zu erkennen und den Fertigungsprozess zu optimieren. Zusätzlich wird das Laserstrahl-Pulverschweißen von Nickelbasis-Superlegierungen etwa für Turbinenschaufeln mit Hilfe der Hochgeschwindigkeitsaufnahmen verbessert. In der Mikroelektronik sind hochpräzise Verbindungsprozesse unerlässlich. Die Analyse von Schmelzebewegungen in ultradünnen Kupferbahnen hilft, Kurzschlüsse und Materialermüdung zu vermeiden, was besonders für die Produktion von Halbleitern und Leiterplatten wichtig ist.

Automatisierte Erkennung der Dampfkapillar- und Porenbewegung beim Laserstrahlschweißen. - © RWTH Aachen – Lehrstuhl für Lasertechnik
Automatisierte Erkennung der Dampfkapillar- und Porenbewegung beim Laserstrahlschweißen. © RWTH Aachen – Lehrstuhl für Lasertechnik
Von Big Data zu Smart Data: Präzise Analysen für industrielle Innovationen

Die Expertise der Laser Meets Synchrotron Partner spielt bei der Nutzung dieser Technologie eine Schlüsselrolle. Die gewonnenen Daten erfordern spezialisierte Analysen, die nur mit fundiertem Know-how und dedizierter Software möglich sind – das Forschungsteam kommt mit bis zu 50 Terabyte Daten zurück in die Institute.

„Unsere Stärke liegt nicht nur darin, diese Experimente durchzuführen, sondern vor allem die Ergebnisse zu verstehen und zu interpretieren, die komplexen Daten aufzubereiten und nutzbar zu machen“, erklärt Christoph Spurk. „Aus Big Data machen wir Smart Data.“ Das ist nur mit der interdisziplinären Ausrichtung des Teams möglich; nur so können die am Synchrotron gewonnenen Daten in die Praxis übertragen werden.

Der wirtschaftliche Nutzen für Kunden und Partner geht weit über Prozessoptimierungen hinaus: Die gewonnenen Daten und Erkenntnisse bilden die Grundlage für völlig neue Geschäftsmodelle, etwa im Bereich der datengetriebenen Materialentwicklung. So können Unternehmen mit den präzisen Analyseergebnissen maßgeschneiderte Materialien für spezifische Anwendungen entwickeln, was ihnen einen entscheidenden Wettbewerbsvorteil verschafft. Unternehmen wie Audi, Bosch Research und Denso konnten durch die Kooperation ihre Produktionsprozesse effizienter gestalten und Entwicklungszyklen verkürzen.

(Quelle: Pressemeldung Fraunhofer-Institut für Lasertechnik ILT)

Schlagworte

DampfkapillareLaserstrahlschweißenSchmelzeSchweißprozesseSynchrotronstrahlung

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