Die Substitution von Ni durch Fe in Hartloten bietet zahlreiche ökologische, wirtschaftliche und gesundheitliche Vorteile. Flexible Lotfolien auf Ni-Basis, die für verschiedene Lötanwendungen wie Plattenwärmetauscher verwendet werden, bieten ein großes Potenzial zur Substitution von Nickel (Ni) durch Eisen (Fe). In dieser Studie wurde die Legierungszusammensetzung einer neuentwickelten Fe-basierten Lotfolie durch Erhöhung des Fe- und Chrom(Cr)-Gehalts optimiert. Darüber hinaus verbesserte die Zugabe von Kohlenstoff (C) die Glasbildungsfähigkeit der flexiblen Fe-basierten Folie, die durch Rascherstarrung hergestellt wurde. Das Vakuumlöten mit der flexiblen Fe-basierten Folie wurde mit X5CrNi18-10 bei unterschiedlichen Lötzeiten durchgeführt. Ultraschall-C-Scans, REM/EDX-Analyse und Schertests wurden dann zur Charakterisierung der Qualität der Verbindungen eingesetzt. Die Zugabe von nur einem Prozent des Stoffmengenanteils an Kohlenstoff verbesserte die Glasbildungsfähigkeit und ermöglichte so die Herstellung einer flexiblen Fe-basierten Folie mit höherem Fe- und Cr-Gehalt. Diese flexible Fe-basierte Folie kann zum Löten hochwertiger Verbindungen mit kurzen Lötzeiten von tb = 10 min verwendet werden. Eine weitere Optimierung der neuentwickelten flexiblen Fe-basierten Folie ermöglicht eine Anpassung an die hohen Anforderungen des Hartlötens und bietet wesentliche Vorteile gegenüber Ni-basierten Hartloten.
1 Einleitung
Durch Hartlöten lassen sich metallurgische Verbindungen herstellen, die sowohl gute mechanische Eigenschaften als auch eine hohe Korrosionsbeständigkeit aufweisen. Die weit verbreiteten Ni-Basis-Lote, die in der Luft- und Raumfahrtindustrie, der Medizintechnik und für Plattenwärmetauscher verwendet werden, sind dafür besonders geeignet. Trotz ihrer ausgezeichneten Eignung für das Hartlöten gibt es immer mehr Bestrebungen, den Ni-Anteil in Ni-Basis-Loten zu reduzieren oder zu ersetzen. Die Gründe dafür sind vielfältig und lassen sich in den folgenden Punkten zusammenfassen:
▪ Kosten: Die steigenden und stark schwankenden Ni-Rohstoffpreise beruhen auf der Abhängigkeit von einigen wenigen Ländern, die über Ni-Ressourcen verfügen. Ein aktuelles Beispiel dafür ist der Anstieg des Ni-Rohstoffpreises zwischen dem 7. und 8. März 2022 um ca. 240 % [1]. Zukünftige Prognosen des Ni-Rohstoffpreises sind schwer zu erstellen.
▪ Umwelt: Im Vergleich zur Fe-Rohstoffgewinnung benötigt die Ni-Rohstoffgewinnung doppelt so viel Energie, emittiert doppelt so viel CO2 und erzeugt etwa zehnmal so viel Feststoffabfall [2].
▪ Gesundheit: Ni ist die häufigste Ursache für Kontaktallergien in den Industrieländern. In der EU sind etwa 65 Millionen Menschen von Ni-Kontaktallergien betroffen, und die Zahl steigt weiter an [3].
▪ Regulatorisch: Um die Weltbevölkerung vor einer ungesunden Ni-Aufnahme zu schützen, empfiehlt die WHO eine Ni-Ionen-Konzentration von ≤ 0,07 mg/l im Trinkwasser [4], während die EU-Leitlinien einen noch strengeren Grenzwert von ≤ 0,02 mg/l festlegen [5]. Um den aufgeführten Nachteilen der Verwendung von Ni in Hartloten entgegenzuwirken, wurde in der Vergangenheit bereits erfolgreich auf dem Gebiet der Fe-Basislotentwicklung geforscht. Wielage et al. [6] haben Fe-Basis-Lote entwickelt und die Migration von Ni-Ionen in Trinkwasser auf einem Korrosionsprüfstand nach DIN EN 15664-1 mit konventionellen Ni-Basis-Loten verglichen. Es wurde festgestellt, dass die neu entwickelten Fe-Basis-Lote mit den herkömmlichen Ni-Basis-Loten mithalten können und die Ni-Ionen-Migration unter dem Grenzwert von ≤ 0,02 mg/l liegt. Grøstad et al. [7] untersuchten ebenfalls speziell entwickelte Fe-Basis-Lote hinsichtlich ihrer Metallionenabgabe in das Trinkwasser und verglichen sie mit konventionellen Loten. Die Immersionstests in Trinkwasser wurden sowohl bei Raumtemperatur als auch bei einer erhöhten Temperatur von T = 80 °C durchgeführt. Die Fe-Basislote gaben bei bei den Temperaturen die geringste Menge an Ni-Ionen in das Trinkwasser ab. Das Cu-Basislot lag bei beiden Temperaturen deutlich über dem Grenzwert von ≤ 0,02 mg/l, und das Ni-Basislot BNi-5 lag auch bei erhöhter Temperatur von T = 80 °C während der ersten acht Wochen über dem Grenzwert.
Trotz der Vorteile von Fe-Basis-Loten im Vergleich zu Ni-Basis-Loten gibt es einen entscheidenden Nachteil. Fe-Basis-Lote sind derzeit nur als Pulver erhältlich, während Ni Basis-Lote sowohl als Pulver als auch als flexible Lotfolie verkauft werden. Flexible Lotfolien lassen sich leicht an eine Vielzahl von Bauteilgeometrien anpassen und sind im Vergleich zu Pulver-Binder-Mischungen deutlich leichter vorzubereiten und auf die Substratoberfläche aufzubringen. Außerdem kann auf den Einsatz von Bindemitteln verzichtet werden, so dass der Ofen während des Lötvorgangs nicht durch diese verunreinigt wird. Besonders vorteilhaft bei der Verwendung von Lotfolie ist die Materialeinsparung im Vergleich zu Pulver, die ein Drittel bis zur Hälfte betragen kann [8]. Die eingesetzte Lotmenge ist entscheidend für die Migration von Ni-Ionen in das Trinkwasser und kann durch den Einsatz von Folie anstelle von Pulver reduziert werden. Um ein Lot zu entwickeln, das die Vorteile einer Fe-Basislegierung mit denen einer flexiblen Lotfolie verbindet, muss die entsprechende Legierung eine Vielzahl von Anforderungen erfüllen. Zusätzlich zu den konventionellen Löteigenschaften wie niedrige Liquidustemperatur (Tliq) und Kompatibilität mit dem Substratwerkstoff muss die Legierung auch eine hohe Glasbildungsfähigkeit (GFA) aufweisen. Dies ist notwendig, um ein amorphes Gefüge auszubilden, das für die Flexibilität der Folie verantwortlich ist. Eine Legierung hat eine hohe GFA, wenn sie bestimmte Kriterien erfüllt, wie z. B. das Turnbull-Kriterium [9] für eutektische Legierungen oder die folgenden von Inoue [10] postulierten Kriterien:
▪ Anzahl der Legierungselemente > 3,
▪ negative Mischungsenthapie ΔHmix, der Hauptlegierungselemente, Atomgrößenunterschied von > 12 %.
Um eine zeitaufwendige Legierungsentwicklung durch Trial-and-Error zu vermeiden, haben die Autoren eine thermodynamische Datenbank im quinären System Fe-Ni-Cr-Si-B entwickelt, um eutektische oder naheutektische Fe-Basislegierungen mit der CALPHAD-Methode zu bestimmen. Dazu wurden zunächst die unvollständigen ternären Subsysteme Fe-Ni-Si [11] und Ni-Cr-B thermodynamisch beschrieben und in die neu entwickelte Datenbank integriert. Mit Hilfe von ThermoCalc-Berechnungen haben die Autoren [12] zunächst drei Fe-BasisLegierungen bestimmt, mittels Rascherstarrung hergestellt und anschließend charakterisiert. Eine dieser Legierungen zeigte Anzeichen einer amorphen Mikrostruktur. Mit diesen Ergebnissen wurde die thermodynamische Datenbank von den Autoren [13] weiter angepasst, und es wurden vier weitere Legierungen auf Basis von Fe ermittelt, von denen zwei eine amorphe Mikrostruktur aufwiesen. Die chemische Zusammensetzung einer dieser flexiblen Fe-Basis-Folien ist in Tabelle 1 angegeben. Sie wurde bereits in ersten Lötversuchen getestet und konnte in Kombination mit X37CrMoV5-1 gute Scherfestigkeiten von ca. τShear = 415 MPa erreichen [14].
Ziel dieser Arbeit war es, mit Hilfe der neuentwickelten thermodynamischen Datenbank im quinären System Fe-NiCr-Si-B die Legierungsentwicklung im Bereich der Fe-Basislote auf effiziente Weise voranzutreiben. Dazu sollten die bereits entwickelten, flexiblen Fe-Basisfolien [13] hinsichtlich ihres Fe- und Cr-Gehaltes angepasst werden, indem diese jeweils zugunsten der Kosten und der Korrosionsbeständigkeit erhöht wurden. Anschließend folgten erste Lötversuche in einem Vakuumofen mit der neu entwickelten flexiblen Fe-Basisfolie und die Untersuchung der Löteigenschaften und der Scherfestigkeit der Verbindungen.
2 Werkstoffe und Durchführung
Als Substratwerkstoff wurde der nichtrostende Stahl X5CrNi18-10 verwendet, der in Form eines Vierkantstabs mit einer Querschnittsfläche von A = 5 mm × 5 mm vorlag. Die chemische Zusammensetzung des Stahls ist in Tabelle 2 aufgeführt.
Um ein kostengünstiges Fe-Basislot mit schlankem Legierungskonzept und guten Löteigenschaften zu entwickeln, sollte die neu entwickelte thermodynamische Datenbank im quinären System Fe-Ni-Cr-Si-B verwendet werden. Aus den Anforderungen an die Fe-Basislegierung ergaben sich die folgenden Kriterien:
▪ wFe ≥ 60 %,
▪ Tliq ≤ 1.200 °C,
▪ eutektisch, bzw. nah-eutektisch.
Bild 1 zeigt das berechnete Phasengleichgewicht als Funktion der Temperatur für eine Legierung auf Fe-Basis, die diese Anforderungen erfüllt. Die Auswahl der hier untersuchten Legierung erfolgte nach der eutektischen Reaktion „Flüssige Phase FCC-Fe + M2B“. Im Gleichgewicht bilden sich ein kubisch-flächenzentrierter (Kfz) Fe-Mischkristall und Boride aus.
Die chemische Zusammensetzung der Legierung auf Fe-Basis, die in Tabelle 3 zu sehen ist, wurde aus dem berechneten Gleichgewichtsdiagramm abgeleitet.
Als Rohmaterial für die Fe-Basislegierung wurden reine Elemente in Granulatform mit einer Korngröße von 1 mm < d < 5 mm und einer Reinheit von 99,8 % verwendet. Zur Herstellung der Fe-Basislegierung wurde eine Gesamtmenge von m = 15 g Granulat auf einer Präzisionswaage gemäß Tabelle 2 abgewogen. Zur Homogenisierung wurde das Granulat einem zweistufigen Schmelzprozess unter Ar-Atmosphäre mit dem Mini-Arc-Melter MAM-1, Edmund Bühler,
Bodelshausen, Deutschland, erschmolzen. Anschließend wurde die homogenisierte Probe für den Rascherstarrungsprozess mit dem Melt-Spinner SC, Edmund Bühler, Bodelshausen, Deutschland, verarbeitet. Die Parameter des Melt-Spin-Prozesses sind in Tabelle 4 aufgeführt.
Für den Lötprozess wurden die Querschnittsflächen des Stahlsubstrates X5CrNi18-10 mit den Abmessungen A = 5 mm × 5 mm im Stumpfstoß miteinander verlötet. Zwischen die Substrate wurden zwei Folienstücke mit einem Querschnitt von jeweils A = 6 mm × 6 mm gelegt. Während des Lötvorgangs wurde auf jede Verbindung eine Kraft von F = 5 N ausgeübt. Bild 2 zeigt eine schematische Darstellung der Fügeverbindungen.
Der Lötprozess fand im Vakuumofen PVA MOV 553, PVA Tepla, Wettenberg, Deutschland, unter Hochvakuum von p < 10-5 mbar und bei einer Temperatur von Tb = 1.200 °C, entsprechend der berechneten Tliq der flexiblen Fe-Basisfolie, statt. Insgesamt wurden 3 × 12 = 36 Proben unter den gleichen Bedingungen bei unterschiedlichen Lötzeiten von tb = 10 min, tb = 30 min und tb = 120 min gelötet.
Die Benetzung der flexiblen Folie auf Fe-Basis wurde mit einem Ultraschall-C-Scan-Gerät, Okos Solutions, Manassas, VA, USA, untersucht, gefolgt von einem zerstörenden Schertest mit dem Schertester, Walter Bai Löhningen, Schweiz. Die Proben wurden in die Scherprüfmaschine eingespannt und mit einem Gegenkörper aus Hartmetall genau am Lötspalt gegeneinander in zwei Hälften abgeschert. Die hier verwendete Scherprüfmaschine entspricht nicht der Norm, so dass die Ergebnisse nur miteinander verglichen werden können. Die Kraft, die aufgebracht werden muss, um die gelöteten Proben gegeneinander abzuscheren, wurde mit einer Kraftmessdose gemessen. Anschließend konnte die Scherspannung berechnet werden.
Für die Mikrostrukturanalyse der Verbindungen wurde für jede Lötzeit eine Probe metallographisch präpariert und mit PhenomX, Thermo Fisher Scientific Inc, Waltham, MA, USA, untersucht. Die Gefügebilder wurden im Rückstreuelektronenmodus (BSE) bei einem Elektronenbeschleunigungspotenzial von U = 15 kV aufgenommen.
3 Ergebnisse und Diskussion
Im folgenden Abschnitt werden die Ergebnisse der Melt-Spin-Versuche der berechneten Legierung Fe62.0Ni28.0Cr6.5Si0.5B3.0 vorgestellt. Es folgte die Analyse der 36 Lötverbindungen mittels Ultraschall-C-Scan, Mikrostrukturanalysen mit SEM/EDS und zerstörender Scherprüfung.
3.1 Melt-Spin-Prozess
Um die berechnete Legierung auf ihre Löteigenschaften hin zu prüfen, musste sie zunächst mit dem Melt-Spinner hergestellt werden. Die homogenisierte Legierung wurde induktiv bis zum vollständigen Aufschmelzen erhitzt und erstarrte dann rasch. Bild 3a zeigt die berechnete Fe-Basislegierung nach dem Melt-Spin-Prozess.
Die Fe-Basisfolie war spröde und wies keine gute Flexibilität auf. Um eine optimierte Folie herzustellen, wurde daher xc = 1 % zugesetzt. Kohlenstoff (C) hat im Vergleich zu anderen Elementen im Legierungssystem einen kleinen Atomradius von ra = 67 pm [16] und eine negative Mischungsenthalpie in Kombination mit Fe von ΔHmix = ₋50 kJ/mol [17]. Daher sorgte die Zugabe von C für eine Erhöhung der GFA nach den Inoue-Kriterien [10]. Trotz der Vorteile des C-Zusatzes für die GFA wurde nur eine sehr geringe Menge von xc = 1 % zugesetzt, um Graphitbildung und damit Entmischung und Kristallisation aus der Schmelze zu vermeiden. Durch die Zugabe der geringen Menge an C konnte eine flexible Folie auf Fe-Basis hergestellt werden, wie in Bild 3b gezeigt wird. Diese ließ sich leicht schneiden und ist daher für problemlose Lötanwendungen geeignet. Aufgrund des geringen Massenanteils an Kohlenstoff von wc = 0,24 % wird dieser in der folgenden Darstellung der Legierungszusammensetzung nicht angegeben. Die Folie hatte eine Dicke von ca. d = 30 µm. Die Legierungszusammensetzung der Folie war ähnlich zum Substrat.
3.1.1 Ultraschall-C-Scan
Um die Qualität der mit der flexiblen Folie auf Fe-Basis gelöteten X5CrNi18-10-Verbindungen zu untersuchen, wurden Ultraschall-C-Scans durchgeführt. Alle 36 Proben wiesen hervorragende Benetzungseigenschaften auf dem X5CrNi18-10-Substrat auf, wobei nur geringfügige Unregelmäßigkeiten an den Rändern beobachtet wurden, wie in Bild 4 dargestellt.
Die Farbabweichungen an den Rändern der Proben tb = 10 min, Probe 8 und 10, und tb = 120 min, Probe 1, 4 und 8, sind auf Messfehler zurückzuführen, die durch das über den Rand der Proben hinausragende Lot verursacht wurden. Diese sind daher vernachlässigbar. Da die inneren Bereiche der Proben optimale Benetzungseigenschaften mit minimalen Schwankungen der Benetzungsamplitude über alle 36 Proben hinweg aufwiesen, kann die an den Rändern beobachtete geringere Benetzungsqualität auf die unebene Oberfläche des X5CrNi18-10-Substratmaterials zurückgeführt werden. Insbesondere das Vorhandensein von Graten, die beim Schneiden der Stahlsubstrate entstehen können, könnte eine unebene Oberfläche verursacht haben. Die chemische Zusammensetzung sowohl des Fe-basierten Substrats X5CrNi18-10 als auch der flexiblen Fe-basierten Folie ist vergleichbar. Daraus resultierte das gute Benetzungsverhalten.
3.2 Mikrostrukturanalyse
Bild 5 zeigt die Gefügebilder der mit der flexiblen Fe-Basisfolie Fe62.0Ni28.0Cr6.5Si0.5B3.0 gelöteten Verbindungen bei Lötzeiten von tb = 10 min, tb = 30 min und tb = 120 min. Die diffusionsbeeinflusste Zone (DAZ) erstreckte sich über ca. dDAZ = 100 µm, wo eine intensive Diffusion von B in das Substratmaterial stattgefunden hat. Dies war vor allem an den Korngrenzen in der DAZ zu erkennen, wo sich B-angereicherte und Cr-reiche Boride bildeten. Bei einer Lötzeit von tb = 10 min ließen sich neben dem Mischkristall zwei weitere Phasen innerhalb des Lötspalts erkennen. Bei beiden Phasen handelt es sich um Fe-reiche Boride, die sich sowohl im Zentrum des Lötspalts als auch an der Grenzfläche zwischen dem Lot und dem Substratwerkstoff bildeten. Die Ausscheidungen in der Mitte waren deutlich größer. Wurde die Lötzeit auf tb = 30 min erhöht, lösten sich die Ausscheidungen in der Mitte des Lötspalts auf und es bildeten sich mehr der kleinen Ausscheidungen an der Grenzfläche zwischen dem Lot und dem Substratwerkstoff. Durch Erhöhung der Lötzeit auf tb = 120 min wurde dieser Effekt noch verstärkt und die Ausscheidungen in der Mitte des Lötspalts lösten sich vollständig auf. Die Erhöhung der Lötzeit führte auch zu einer Vergrößerung der DAZ aufgrund der intensiven Diffusion des interstitiell gelösten B. Interessanterweise waren die Ausscheidungen in der Mitte des Lötspalts nach tb = 10 min bei einer anderen flexiblen Folie auf Fe-Basis mit der Zusammensetzung Fe56.0Ni35.3Cr4.2Si1.5B3.0 nicht zu beobachten. Die Untersuchung dieser Legierung ist von den Autoren noch nicht veröffentlicht worden, aber die chemische Zusammensetzung deutet darauf hin, dass die Bildung dieser Phasen auf den erhöhten Fe- und Cr-Gehalt der hier untersuchten flexiblen Fe-Basisfolie zurückzuführen ist. In Tabelle 5 ist die chemische Zusammensetzung der im Lötspalt identifizierten Phasen aufgeführt.
Der Mischkristall hatte bei allen Lötzeiten annähernd die Zusammensetzung der Fe-Basislegierung. Eine Erhöhung der Lötzeit führte zu einem leichten Anstieg des Cr-Gehalts im Mischkristall, da der Konzentrationsunterschied zwischen dem Hartlot und dem Substratmaterial eine Diffusion des Cr in den Lötspalt bewirkte. Die Zusammensetzung der Boride in der DAZ blieb konstant. Diese Boride hatten einen hohen Cr-Gehalt und enthielten Mn, das nur im Substratwerkstoff und nicht im Lot enthalten war. Der Fe-Gehalt der Ausscheidungen in der Mitte des Lötspalts war deutlich höher als in der DAZ. Auch hier war ein erhöhter Cr-Gehalt festzustellen, obwohl im Mischkristall etwa der Cr-Gehalt des Lotes gemessen wurde. Dies deutete ebenfalls auf eine Diffusion von Cr aus dem Substratmaterial in den Lotspalt hin. Neben einem erhöhten Fe-Gehalt fand sich in den kleinen schwarzen Ausscheidungen ein erhöhtes Ni-Gehalt wieder, und im Gegensatz zu den anderen Boriden war ein messbarer Si-Anteil vorhanden. Es ist möglich, dass sich hier sehr kleine Boride gebildet haben, die dann als Keimbildungsstelle für Silizide dienten. Diese waren so klein, dass eine genaue Unterscheidung der beiden Phasen nicht möglich war. Dies würde auch die starke Abweichung innerhalb der einzelnen Punktmessungen im Vergleich zu den anderen Phasen erklären. Die Wirkung von kleinen Ausscheidungen als Keimstellen für weitere Ausscheidungen im Lötspalt wurde von den Autoren [15] bereits an Ni-Basis Loten untersucht und stützt so die hier getroffene Annahme.
3.3 Schertest
Um die Festigkeit der stoffschlüssigen Verbindungen zu untersuchen, wurden an allen Proben Scherversuche durchgeführt, Bild 6. Als Referenz wurde auch der ungelötete X5CrNi18-10 mit 12 Proben geprüft. Hier wurde eine Scherfestigkeit von τ = 528 MPa erzielt. Die Scherfestigkeiten des ungelöteten Substratwerkstoffes zeigten eine sehr geringe Abweichung von Δτ = 8 MPa im Vergleich zu den gelöteten Proben. Für tb = 10 min zeigte eine der Proben eine sehr geringe Scherfestigkeit von τ = 29 MPa. Diese Probe wurde als Ausreißer gewertet, so dass die durchschnittliche Scherfestigkeit der anderen elf Proben, die für tb = 10 min erreicht wurde, τ = 214 ± 29 MPa betrug. Eine Erhöhung der Lötdauer auf tb = 30 min führte nicht zu einer Verbesserung der Scherfestigkeit. Ohne Berücksichtigung des Ausreißers mit τ = 114 MPa für tb = 30 min ergab sich eine Scherfestigkeit von τ = 213 ± 36 MPa. Eine leichte Verbesserung der Scherfestigkeit wurde durch eine weitere Erhöhung der Lötzeit auf tb = 120 min erreicht. Hier gab es keine Ausreißer, und die erreichte Scherfestigkeit von τ = 242 ± 23 MPa war die höchste aller Lötzeiten. Diese war jedoch nur ca. Δτ = 30 MPa höher als bei einer Lötzeit von tb = 10 min, sodass eine Erhöhung der Lötzeit zur leichten Verbesserung der Scherfestigkeit aus wirtschaftlicher Sicht nicht effizient ist.
Insgesamt ließen sich mit der neu entwickelten flexiblen Folie auf Fe-Basis gute Ergebnisse in Bezug auf die Scherfestigkeit erzielen. Diese lagen etwa ein Drittel bis die Hälfte unter der Scherfestigkeit des ungelöteten X5CrNi18-10. Zukünftige fraktografische Analysen sind erforderlich, um den Versagensmechanismus
der Proben genauer zu untersuchen.
4 Fazit und Ausblick
Die Entwicklung von flexiblen Folien auf Fe-Basis verbindet zwei Vorteile. Zum einen sind Fe-basierte Lotfolien deutlich kostengünstiger und umweltfreundlicher als Ni-basierte Lote und zum anderen bietet der Einsatz von flexiblen Folien Vorteile in der Lötanwendung. Da eine solche flexible Lotfolie auf Fe-Basis derzeit nicht kommerziell verfügbar ist, berechneten die Autoren mit Hilfe einer neu entwickelten thermodynamischen Datenbank im quinären System Fe-NiCr-Si-B mit der Software ThermoCalc eine vielversprechende Legierung. Bei der Herstellung der flexiblen Fe-Basislegierung Fe62.0Ni28.0Cr6.5Si0.5B3.0 und in ersten Lötversuchen bei unterschiedlichen Lötzeiten wurden folgende Erkenntnisse gewonnen:
▪ Die Zugabe einer sehr geringen Menge von xc = 1 % führte zu einer deutlichen Verbesserung der Herstellbarkeit der Legierung als flexible Folie im Melt-Spin-Prozess.
▪ In Kombination mit dem X5CrNi18-10 konnten stoffschlüssige Verbindungen hergestellt werden.
▪ Die Qualität des Fügeverbundes aus X5CrNi18-10 und der flexiblen Folie auf Fe-Basis war sehr gut.
▪ Eine Erhöhung der Lötzeit führte kaum zu einer Verbesserung der Scherfestigkeit, so dass für die neu entwickelte flexible Folie auf Fe-Basis ein kostengünstiger Lötprozess bei tb = 10 min geeignet ist.
▪ Im Lötspalt und in der DAZ bildeten sich Boride, die die mechanischen und korrosiven Eigenschaften beeinträchtigen können.
▪ Eine Verlängerung der Lötzeit führte zur Auflösung der Ausscheidungen im Lötspalt und zu einer Zunahme der Ausscheidungsbildung an der Grenzfläche zwischen dem Lot und dem Substratmaterial.
Insgesamt sind die hier erzielten Ergebnisse vielversprechend, und die neue flexible Folie auf Fe-Basis hat ein hohes Potenzial, als Alternative zu Lotfolien auf Ni-Basis eingesetzt zu werden. Zur weiteren Analyse des Versagensverhaltens sind fraktografische Untersuchungen geplant, um den Einfluss der Boride als Rissauslöser zu prüfen. Die Ergänzung der thermodynamischen Datenbank im quinären Fe-Ni-Cr-Si-B-System mit Schmelzpunktsenkern wie C oder P ist eine Möglichkeit, die neue flexible Folie auf Fe-Basis hinsichtlich der Senkung der Liquidustemperatur Tliq weiter zu verbessern. Darüber hinaus kann die thermodynamische Datenbank mit Refraktärmetallen ergänzt werden, die sowohl die GFA der Legierung erhöhen als auch die Ausbildung des Lötspaltgefüges positiv beeinflussen können. Bei der Weiterentwicklung flexibler Fe-Basisfolien sollte vor allem die Reduzierung des B-Gehalts im Vordergrund stehen, um die Bildung von Boriden in der DAZ zu minimieren.
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