Wirtschaft
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08.05.2020

10-Punkte-Programm zur Sicherung der Ausbildung in der Corona-Pandemie

10-Punkte-Programm zur Sicherung der Ausbildung in der Corona-Pandemie

Viele der mehr als 400.000 Ausbildungsbetriebe hierzulande befinden sich wegen der Corona-Pandemie in einer überaus schwierigen Lage. Dennoch müsse alles getan werden, um die Ausbildung dringend benötigter Fachkräfte sicherzustellen, mahnt der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) – und unterbreitet konkrete Vorschläge.

Kurzarbeit und Umsatzausfälle in der Corona-Krise treffen besonders Hotels und Gastronomie, Tourismus und große Teile von Einzelhandel und Industrie. Vor dem Hintergrund fehlender Einnahmen und geschlossener Berufsschulen werde es „von Tag zu Tag schwieriger, Ausbildung aufrechtzuerhalten und Ausbildungsplätze für das kommende Ausbildungsjahr anzubieten“ warnt der stellvertretende DIHK-Hauptgeschäftsführer Achim Dercks.

Dabei wäre das dringend nötig. Denn nachdem die Krise überwunden ist, sind nicht nur die Betriebe mehr denn je auf qualifizierte Fachkräfte angewiesen, auch Schulabgänger und Azubis brauchen verlässliche Perspektiven. Damit das gelingt, haben DIHK und IHKs Vorschläge für einen 10-Punkte-Plan erarbeitet. Dabei ganz besonders wichtig: die Kündigung von Ausbildungsverhältnissen zu vermeiden.

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50.000 Ausbildungsplätze in der Lehrstellenbörse

Die Industrie- und Handelskammern (IHKs) setzen gemeinsam mit den Unternehmen alles daran, dass sämtliche Azubis ihre Ausbildung beenden könnten, versichert Dercks: „So werden wir über die gemeinsame Lehrstellenbörse der IHKs helfen, Azubis aus insolventen Unternehmen in andere Betriebe zu vermitteln.“

In der Börse sind trotz der großen Unsicherheiten aktuell rund 50.000 Ausbildungsplätze gelistet. „Kurzfristig würde es den Ausbildungsbetrieben jetzt konkret helfen, wenn sie Kurzarbeitergeld für Azubis ohne Einschränkungen wie für Beschäftigte beantragen könnten“, so Dercks .

„Die weitere Entwicklung der Angebote hängt ganz wesentlich von der Entwicklung der Pandemie und der wirtschaftlichen Situation in der zweiten Jahreshälfte ab“, betonte der stellvertretende DIHK-Hauptgeschäftsführer. „Wie diese zu Beginn des Ausbildungsjahrs aussehen werden, lässt sich derzeit für viele Branchen noch nicht sagen.“

IHKs helfen mit digitalen Formaten bei Beratung und Vermittlung

Wichtiger denn je wird aus Sicht von Dercks in diesem Sommer eine gezielte Ausbildungsberatung und -vermittlung durch die Arbeitsagenturen. „Diese wollen die IHKs durch digitale Formate wie etwa Speed-Datings per Skype unterstützen.“

Die Zahlung eines Ausbildungsbonus für Betriebe, die zusätzliche Ausbildungsplätze schaffen, könne ein zusätzlicher Baustein sein. Dercks: „Die Partner in der Allianz für Aus- und Weiterbildung werden diese und weitere Vorschläge in den kommenden Wochen beraten und gemeinsam weiterentwickeln.“

Das 10-Punkte-Programm im Überblick:

Höchste Priorität muss es haben, Beendigungen von Ausbildungsverhältnissen durch Kündigung zu vermeiden. Betriebe sollten alle Mittel ausschöpfen, um Ausbildung weiter zu gewährleisten. Bei mangelnder Auslastung sollten sie Lerninhalte vorziehen und den Ausbildungsplan umstellen. Azubis können in andere Abteilungen oder in die Lehrwerkstatt versetzt werden.

Für einen beschränkten Zeitraum kann mobiles Arbeiten im Homeoffice sinnvoll sein. Unternehmen können mit ihren Azubis auch Ausbildung in Teilzeit vereinbaren und die regelmäßige Arbeitszeit um bis zu 50 Prozent reduzieren. Betriebe, die Teile der Ausbildung nicht mehr erbringen können, sollten diese an einen Verbundbetrieb oder überbetriebliche Einrichtungen übertragen.

So können Supermärkte Azubis aus kleineren Einzelhandelsgeschäften zeitweise beschäftigen. Azubis müssen aber auch im Gastbetrieb der Ausbildungsordnung entsprechend weiter lernen. Eine gute Betreuung und fachliche Anleitung durch die aufnehmenden Betriebe müssen sichergestellt werden.

Für manche Azubis können digitale Angebote eine Zwischenlösung sein, um ihre Ausbildung fortzusetzen. Vor allem in den kaufmännischen Berufen gibt es ein hohes Maß an digitalen Tätigkeiten, die mit den modernen Kommunikationsmitteln von zu Hause aus erledigt werden können. Zudem existieren mittlerweile eine ganze Reihe von digitalen Lernangeboten für Azubis. Darunter befinden sich Apps, die bei der Vorbereitung auf Prüfungen helfen.

Die Berufsschulen sind gefordert, auf digitalen Unterricht umzustellen und die theoretische Wissensvermittlung fortzuführen. Der Bund sollte Zuschüsse für digitales Lernen und die nötige technische Ausstattung nicht nur an bedürftige Schüler, sondern auch an Azubis zahlen.

3. Insolvenz-Azubis vermitteln – aufnehmende Betriebe unterstützen

Die Industrie- und Handelskammern werden die Bundesagentur für Arbeit dabei unterstützen, Azubis aus insolventen Unternehmen in Betriebe zu vermitteln, in denen sie ihre Ausbildung fortsetzen und beenden können. Dazu wird die gemeinsame Lehrstellenbörse der IHKs als Plattform genutzt. Der Bund sollte Betriebe, die Auszubildende oder dual Studierende aus Insolvenzbetrieben übernehmen, mit einer Übernahmeprämie unterstützen.

Die bislang vorgesehene sechswöchige Wartefrist, bevor ein Betrieb Kurzarbeit für Auszubildende beantragen kann, darf nicht zur Auflösung von bestehenden Ausbildungsverhältnissen führen. Deshalb muss auch für Azubis in Unternehmen, in denen Kurzarbeit geleistet wird, vom ersten Tag an Kurzarbeitergeld gezahlt werden – rückwirkend ab dem 1. März.

Der Bund ist hier in der Verantwortung, durch eine Änderung des Berufsbildungsgesetzes eine bundesweit verlässliche Regelung zu finden und einen föderalen Flickenteppich zu verhindern. Bund und Länder sollten außerdem nach Lösungen für temporäre Zuschüsse suchen, damit existenzgefährdete Betriebe ihren Azubis möglichst eine hundertprozentige Ausbildungsvergütung zahlen können.

Die IHK-Organisation arbeitet mit Hochdruck daran, alle Prüfungen, die Corona-bedingt bislang nicht stattfinden konnten, so bald wie möglich und bundeseinheitlich nachzuholen. Damit das gelingen kann, müssen nicht nur Hygiene- und Schutzvorschriften erfüllt, Prüferinnen und Prüfer motiviert, sondern auch eine solide Prüfungsvorbereitung ermöglicht werden.

Es ist es daher unerlässlich, dass die Berufsschulen – zumindest in den Abschlussklassen – sowie weitere Verbundpartner in der Ausbildungsvorbereitung so bald wie möglich ihren Betrieb wieder aufnehmen.

Angebote für das neue Ausbildungsjahr hängen wesentlich von der Entwicklung der Corona-Pandemie und den Auswirkungen auf die Wirtschaft ab. Zur Situation am Ende dieses Sommers lässt sich daher noch keine Prognose treffen. Je länger die Pandemie andauert und je schwerwiegender die wirtschaftlichen Folgen, umso mehr Unternehmen könnten den Abschluss neuer Ausbildungsverträge verschieben.

Gleichwohl sollten die Berufsberater der Arbeitsagenturen – mit Unterstützung der Industrie- und Handelskammern – bereits jetzt Schulabgänger so gezielt wie möglich beraten und vermitteln. Dabei sollten sie darauf hinweisen, dass auch im Sommer und Frühherbst eine Ausbildung begonnen werden kann.

Nachvermittlungsaktionen kommt hierbei eine besondere Bedeutung bei. Neben den Interessen und Potenzialen der Bewerber müssen in diesem Jahr das Angebot der Betriebe und der Bedarf an bestimmten Fachkräften besonders berücksichtigt werden. Bei zu erwartenden Engpässen in bestimmten Branchen und Berufen sollte besonderes Augenmerk auf die Vermittlung in gesellschaftlich relevante Bereiche wie Gesundheit und Pflege gelegt werden. Denn hier ist der Mangel an Fachkräften auf absehbare Zeit besonders groß.

Die Arbeitsagenturen sollten noch während der Kontaktsperren Schüler auf digitale Informationsangebote aufmerksam machen und individuelle telefonische oder digitale Beratungen durchführen. Speed-Datings der IHKs werden über Skype oder andere digitale Formate durchgeführt. Die zentrale Lehrstellenbörse der Industrie- und Handelskammern wird ständig up to date gehalten und bietet derzeit rund 50.000 Ausbildungsangebote für den Ausbildungsstart im Herbst.

Betriebe sollten sorgfältig prüfen, inwieweit sie ihre Ausbildungsbereitschaft aufrechterhalten können, um in den nächsten Jahren einen Einbruch beim Fachkräftenachwuchs zu vermeiden.

Der Bund sollte bei anhaltend angespannter wirtschaftlicher Lage Ausbildungsbetrieben, die für das kommende Jahr zusätzliche Ausbildungsplätze anbieten, einen finanziellen Bonus gewähren – etwa durch eine bedingungslose Einmalzahlung oder Zuschüsse zur Vergütung im ersten Ausbildungsjahr. Hier könnte an den Ausbildungsbonus der Bundesagentur für Arbeit von 2008 angeknüpft werden.

Falls durch die Auswirkungen des Shutdown im Herbst nicht genügend betriebliche Ausbildungsplätze zur Verfügung stehen, sollten Bewerber ersatzweise in Einstiegsqualifizierungen vermittelt werden. Denn diese bedeuten für Ausbildungsbetriebe in Not eine überschaubare finanzielle Belastung. So bald wie möglich sollte dann der Übergang in Ausbildung und eine zeitliche Anrechnung auf das erste Ausbildungsjahr geprüft werden.

In Regionen mit besonders angespanntem Ausbildungsmarkt sollten die Partner vor Ort darüber entscheiden, bedarfsgerecht und vorübergehend außerbetriebliche Ausbildung zu ermöglichen. So könnten Azubis während der Pandemie zunächst in einer außerbetrieblichen Einrichtung lernen. Nach wirtschaftlicher Erholung könnten sie dann in das zweite Ausbildungsjahr in einen Ausbildungsbetrieb vermittelt werden. Einer Verstetigung außerbetrieblicher Strukturen muss vorgebeugt werden.

Für Jugendliche, die ihre favorisierte Berufsausbildung im kommenden Ausbildungsjahr nicht aufnehmen können oder sich beruflich orientieren wollen, sollten zeitlich begrenzt Angebote im gemeinnützigen Bereich wie das Freiwillige Soziale Jahr (FSJ) ausgebaut werden.

(Quelle: Presseinformation des Deutschen Industrie- und Handelskammertages DIHK)

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