Forschung
Mehrreihiges Demonstratorwerkzeug mit verlustarmer und zielgerichteter Kühlschmierstoff-Zufuhr zum Einsatz in Luftfahrt-Strukturbauteilen aus Titan. - © Fraunhofer ILT, Walter AG, WZL der RWTH Aachen
21.06.2023

Effiziente Kühlschmierstoff-Zufuhr in additiv gefertigten Fräswerkzeugen

Effiziente Kühlschmierstoff-Zufuhr in additiv gefertigten Fräswerkzeugen

Der Einsatz von Kühlschmierstoffen (KSS) ist bei der Fräsbearbeitung anspruchsvoller, schwer zerspanbarer Werkstoffe und Bauteile, wie Luftfahrt-Strukturbauteilen aus Titanlegierungen, unerlässlich. Die produktive Fräsbearbeitung unter Einsatz von KSS bei teils hohen Zufuhrdrücken stellt das produzierende Gewerbe vor große Herausforderungen zur Reduktion ökonomischer sowie ökologischer Kosten. Insbesondere die Steigerung der Werkzeugstandzeit sowie die Reduktion des notwendigen KSS-Einsatzes können hier einen wesentlichen Beitrag zu einer nachhaltigen, ressourcenschonenden und wettbewerbsfähigen Fertigung am Standort Deutschland leisten. Die Herstellung komplexer, prozessindividuell ausgelegter innengekühlter Werkzeuge mit konventionellen Fertigungsverfahren ist sehr aufwändig, kostenintensiv und nur begrenzt möglich. Die geometrische Gestaltungsfreiheit additiver Fertigungsverfahren bietet hier ein enormes Potenzial hinsichtlich einer individualisierten, zielgerichteten und verlustarmen KSS-Zufuhr. Durch die Verarbeitung metallischer Pulverwerkstoffe kann im Laser Powder Bed Fusion Verfahren (LPBF) die KSS-Zufuhr von Trägerwerkzeugen neu gedacht werden. Diese Möglichkeiten wurden im BMWK-geförderten Projekt TaCoMA (AiF) am Werkzeugmaschinenlabor WZL der RWTH Aachen erforscht. Ziel war die Nutzbarmachung der Potenziale additiv, im LPBF-Verfahren gefertigter Fräswerkzeuge hinsichtlich einer angepassten KSS-Zufuhr zur Steigerung der Werkzeugstandzeit und Prozesssicherheit.

Am Beispiel von Fräswerkzeugträgern mit tangentialem Plattensitz wurden die Möglichkeiten und Grenzen strömungsmechanisch optimierter Kühlkanäle sowie einer zielgerichteten Düsenauslegung aufgezeigt. Das Projekt endete im März 2023 nach dreijähriger Laufzeit und Zusammenarbeit mit dem Fraunhofer-Institut für Lasertechnik ILT und einem breiten Konsortium beteiligter Unternehmen aus den Bereichen Werkzeugtechnik, Maschinenbau, Endanwendung und KSS-Peripherie.

Im Forschungsvorhaben TaCoMA wurden ein- und mehrreihige Trägerwerkzeuge mit verlustarmer und zielgerichteter KSS-Zufuhr entwickelt, im LPBF-Verfahren gefertigt und in zerspantechnologischen Untersuchungen analysiert. Die Erkenntnisse wurden in Gestaltungsrichtlinien und Handlungsempfehlungen für KMU nutzbar gemacht. Nach der Qualifizierung des niedriglegierten Einsatzstahls 18MnCrMoV4-8-7 im LPBF-Prozess wurden in fluidmechanischen Untersuchungen geeignete Kanal- und Düsengeometrien identifiziert. Durch Nutzung der geometrischen Gestaltungsfreiheit konnten Volumenstromverluste um bis zu 21 % reduziert werden und der KSS-Freistrahl durch angepasste Düsenformen fokussierter geformt werden.

Mehrreihiges Demonstratorwerkzeug mit verlustarmer und zielgerichteter Kühlschmierstoff-Zufuhr zum Einsatz in Luftfahrt-Strukturbauteilen aus Titan. - © Fraunhofer ILT, Walter AG, WZL der RWTH Aachen
Mehrreihiges Demonstratorwerkzeug mit verlustarmer und zielgerichteter Kühlschmierstoff-Zufuhr zum Einsatz in Luftfahrt-Strukturbauteilen aus Titan. © Fraunhofer ILT, Walter AG, WZL der RWTH Aachen

Die Ergebnisse fanden anschießend in der Konstruktion einer angepassten KSS-Zufuhr im Fräswerkzeug Anwendung. Die Auslegung wurde dabei durch numerische Strömungssimulatio-nen unterstützt, um schon vor der experimentellen Validierung Aussagen über das Leistungs-vermögen treffen zu können. Durch die Testung unterschiedlichster KSS-Zufuhr-Varianten in hoher geometrischer Komplexität und Vielfalt an additiv gefertigten Messerkopfwerkzeugen beim Schruppfräsen des Vergütungsstahls 42CrMo4+QT sowie der Titanlegierung Ti-6Al-4V wurden geeignete Varianten extrahiert und Erkenntnisse für optimale KSS-Zufuhr-Konzepte ge-wonnen. Durch die zielgerichtete und verlustarme Zuführung des Kühlschmierstoffs an die mechanisch und thermisch hoch belastete Werkzeugschneide konnten Standwegsteigerungen von bis zu 70 % gegenüber dem Referenzwerkzeug erzielt werden. Gleichzeitig wurde der geförderte Volumenstrom fast halbiert und so der elektrische Leistungsbedarf der Werkzeugma-schine erheblich vermindert.

Die enorme Effizienz- und Leistungssteigerung im Einsatz können die ökonomisch-ökologischen Mehrkosten im Herstellungsprozess additiv gefertigter Zerspanwerkzeuge kompensieren. In einer beispielhaften Kostenrechnung wurde der Werkzeugpreis für das additiv gefertigte Werkzeug knapp 50 % höher als für das konventionell gefertigte Vergleichswerkzeug abge-schätzt. Bei Berücksichtigung der gesamten Werkzeuglebensdauer lagen die Einsatzkosten für LPBF-gefertigte Werkzeuge 39 % unter den für das Werkzeug nach dem Stand der Technik be-rechneten Kosten. Die Ergebnisse einer Ökobilanzierung nach DIN EN ISO 14040/44 zeigten auch für die potenziellen Umweltauswirkungen im Werkzeugeinsatz das Potenzial auf. Der für die Werkzeuglebensdauer berechnete CO2-Fußabdruck reduzierte sich durch den effizienteren KSS-Einsatz und die verlängerte Lebensdauer der Schneidplatten um 20 %.

An einem mehrreihigen Demonstratorwerkzeug wurde die Einsatzfähigkeit LPBF-gefertigter Trägerwerkzeuge für die Schwerzerspanung im industriellen Umfeld nachgewiesen. Der 16-schneidige Igelfräser mit verlustarm und zielgerichtet ausgelegter KSS-Zufuhr wurde in der Ti-tanzerspanung beim Flugzeugbauer Premium AEROTEC im Produktionsumfeld getestet. Ge-genüber dem konventionell gefertigten Katalogwerkzeug konnten der geförderte Volumenstrom um 25 % reduziert, der Werkzeugverschleiß um 27 % gesenkt, das eingenommene Spanvolumen um 25 % verkleinert und damit die Spanabfuhr verbessert werden. Durch die verbesserte Funktionalität können additiv gefertigte Fräswerkzeuge mit angepasster KSS-Zufuhr eine sinnvolle Alternative gegenüber dem Stand der Technik darstellen. Die im Rahmen des Projektes gewonnen Erkenntnisse können von Werkzeugherstellern, Endanwendern als auch von Maschinen- und Peripherieherstellern genutzt werden.

Kontakt am WZL:

Tobias Kelliger, M.Sc.
Telefon: +49 241 80-20523
Email: t.kelliger@wzl.rwth-aachen.de

(Quelle: Presseinformation des Werkzeugmaschinenlabor WZL der RWTH Aachen University)

Schlagworte

Additive FertigungFräsenKühlschmierstoffeLaser Powder Bed FusionMaschinenbauNachhaltigkeitRessourcenschonungSchwerzerspanungWerkzeugkonzepteWerkzeugtechnikZerspanungZerspanungstechnik

Verwandte Artikel

14.12.2025

Auszeichnung für Verbesserungen im Arbeitsschutz

Die Paul Vahle GmbH & Co. KG hat gestern den Silbernen Sicherheitspreis der Berufsgenossenschaft Holz und Metall (BGHM) 2025 erhalten.

Arbeitsschutz Auszeichnung Award Betriebsanweisungen Brandschutz Gefährdungsbeurteilung Gefahrstoffverordnung Gesundheitsschutz Sicherheit Zerspanung
Mehr erfahren
Vorstandsvorsitzender der Bosch Rexroth AG ab 1. März 2026: Dr. Jochen Peter
13.12.2025

Änderungen im Vorstand von Bosch Rexroth

Dr. Jochen Peter (50) tritt zum 1. Januar 2026 in den Vorstand der Bosch Rexroth AG in Lohr am Main ein und wird nach einer Einarbeitungsphase am 1. März 2026 Vorstandsvo...

Anlagentechnik Automation Management Maschinen Maschinenbau Steuerungstechnik Vorstand
Mehr erfahren
Die Weiterbildung zum EAE (European Adhesive Engineer) in Bremen setzt weltweite Standards und ist direkt für Unternehmen in vielen Abteilungen nutzbar
12.12.2025

In Klebfachingenieure investieren – lohnt sich das?

Die Weiterbildung zum EAE (European Adhesive Engineer) in Bremen setzt weltweite Standards und ist direkt für Unternehmen in vielen Abteilungen nutzbar.

Automobiltechnik Elektromobilität Elektrotechnik Fachwissen Klebfachingenieur Klebtechnik Leichtbau Maschinenbau Medizintechnik Weiterbildung
Mehr erfahren
09.12.2025

Automatisierte Nachbearbeitung bei additiven Fertigungsprozesse

Auf der Formnext 2025 zeigte AM Solutions – 3D post processing technology, wie automatisierte Nachbearbeitung die Wirtschaftlichkeit und Reproduzierbarkeit additiver Fert...

Additive Fertigung Automation Nachbearbeitung Oberflächenbearbeitung Reproduzierbarkeit Thermoplastische Bauteile Wirtschaftlichkeit
Mehr erfahren
Die im Kreis Traunstein ansässige Unternehmensgruppe Wolfram Industrie mbH ist mittlerweile der einzige Hersteller von Wolframelektroden in der westlichen Produktionswelt.
09.12.2025

Standort stärken statt Abwanderung

Als einziger europäischer Hersteller von WIG-Schweißelektroden setzt die Gesellschaft für Wolfram Industrie mbH weiter auf den deutschen Wirtschaftsstandort.

Forschung Industrie Made in Germany Mittelstand Molybdän Nachhaltigkeit Schweißelektroden WIG-Elektrode Wolfram
Mehr erfahren