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13.12.2025

Rührreibschweißen für die Herstellung von Batteriegehäusen

Rührreibschweißen – englisch Friction Stir Welding (FSW) – ist ein geeigneter Prozess für Nichteisenmetalle mit niedriger Schmelztemperatur und andere metallische Werkstoffe. Besonders in der E-Mobilität findet das Verfahren Anwendung, etwa bei der Herstellung von Batteriegehäusen, die sich mittels robotergestütztem FSW prozesssicher fertigen lassen. Till Maier (Portfolio Manager Advanced Welding Solutions ) und Stefan Fröhlke (Head of Process Development AWS) von KUKA erläutern im Interview die Hintergründe.

Das Rührreibschweißen wird bei Batterieproduzenten für E-Mobilität, insbesondere in der Automobilbranche, immer beliebter. Warum?

Till Maier: Rührreibschweißen bietet für die Herstellung von Batteriegehäusen mehrere Vorteile: Es liefert eine sehr hohe Schweißqualität ohne Poren oder Risse, mit hoher Nahtfestigkeit und geringem Schweißverzug. Das Verfahren ermöglicht Einsparungen – von materialoptimierten Bauteilen über fehlende Verbrauchsmaterialien wie Schutzgas und Fülldraht bis zur reduzierten Kantenvorbereitung. Zudem ist der Energieverbrauch deutlich niedriger als bei MIG- oder Laserstrahlschweißen, und es entstehen weder Rauchgase noch Lärmbelastung.

KUKA hat seit 2012 mehr als 270 FSW-Roboter in über 18 Ländern installiert. Aus welchen Bereichen kommen die Interessenten?

Till Maier: Zu unseren Kunden zählen Tier-1-Unternehmen verschiedener Länder, die OEMs, also den Herstellern von Originalausrüstung in der Automobilindustrie, zuarbeiten. Zunehmend aber auch Direktkunden aus dem OEM-Bereich, für die wir umfassende Systemlösungen inklusive vor- und nachgelagerter Prozessschritte – wie etwa das nachträgliche Entgraten oder Bürsten der Schweißflächen – bereitstellen. Außerdem nutzen wissenschaftliche Institute unsere R&D-Roboterzellen zur Erforschung der Prozesse und Verfahren.

FSW bietet hohes Einsparpotenzial, von der Materialeinsparung durch Bauteiloptimierung über fehlende Verbrauchsmaterialien wie Schutzgas und Fülldraht bis zur Einsparung einer umfangreichen Kantenvorbereitung - © KUKA
FSW bietet hohes Einsparpotenzial, von der Materialeinsparung durch Bauteiloptimierung über fehlende Verbrauchsmaterialien wie Schutzgas und Fülldraht bis zur Einsparung einer umfangreichen Kantenvorbereitung © KUKA
Das heißt, KUKA bietet weit mehr an als nur die Roboter und die zugehörige FSW-Technologie?

Stefan Fröhlke: So ist es. Bevor ein Verfahren industrialisiert wird, muss es zunächst prozesstechnisch beherrscht werden. Daher kaufen viele Kunden zunächst eine R&D-Zelle, um verschiedene Parameter zu testen und den Prozess einzustellen. Das unterscheidet sich vom klassischen Produktgeschäft, bei dem man ein fertiges Produkt aufstellt. Deshalb sprechen wir auch von Lösungen – unsere Fachleute unterstützen bei der Prozesseinrichtung, führen Untersuchungen durch und finden heraus, welche Lösung für die Kunden am sinnvollsten ist. Danach wird die passende Kombination aus Roboter, Spindel, Steuerung, Werkzeugen und erforderlichen Vorrichtungen zusammengestellt. Die Auslieferung umfasst eine Vorabnahme sowie die Endabnahme beim Kunden.

Wie muss man sich den Ablauf eines solchen Projektes konkret vorstellen?

Stefan Fröhlke: Zunächst erfolgt eine theoretische Analyse: Die verwendeten Legierungen werden besprochen und auf ihre Schweißbarkeit geprüft. Danach folgen Erreichbarkeitsstudien anhand von 3D-Modellen, um mögliche Kollisionen mit Bauteilen, Spannern oder Werkzeugen auszuschließen. In der anschließenden praktischen Testphase werden mit Demonstratoren wie Sample-Parts die Schweißnähte detailliert untersucht, etwa durch Laboranalysen wie Schliffbilder sowie durch Biege- und Zugprüfungen. Der Prozess läuft stufenweise ab, wobei in jeder Phase geprüft wird, ob alle technischen Spezifikationen und Qualitätsanforderungen erfüllt sind. Auch nach erfolgreicher Testphase und Anlagenkonfiguration begleiten wir unsere Kunden weiter, unter anderem durch Mitarbeiterschulungen und Unterstützung bei späteren prozesstechnischen Fragen oder Problemen.

Wie sehen die erwähnten Schulungen der Mitarbeitenden aus?

Stefan Fröhlke: Die Grundlage bildet eine Roboterschulung im KUKA College, die je nach Rolle – etwa für Inbetriebnehmer oder Anlagenbediener – unterschiedliche Inhalte bietet. Ergänzt werden kann die Basisschulung durch eine FSW-Prozessschulung von zwei, drei oder fünf Tagen Dauer. Dabei werden Prozessbesonderheiten, Rahmenbedingungen, Parameter, Einrichtung des Verfahrens sowie Prozess- und Qualitätskontrolle vermittelt. Alle Schulungen können sowohl in Augsburg als auch weltweit beim Kunden durchgeführt und an dessen spezifische Anforderungen angepasst werden.

Stefan Fröhlke ist Head of Process Development für AWS bei KUKA und kennt alle technischen Besonderheiten bei der Implementierung einer FSW-Anlage. - © KUKA
Stefan Fröhlke ist Head of Process Development für AWS bei KUKA und kennt alle technischen Besonderheiten bei der Implementierung einer FSW-Anlage. © KUKA
Sie bieten aber nicht nur kundenspezifische Schulungen, sondern auch individualisierte Lösungen für das FSW an: Wie muss man sich das vorstellen?

Till Maier: Unser Portfolio umfasst drei Lösungsansätze: Erstens den KR Fortec ultra in der MT-Ausführung (300 kg Traglast, 2.800 mm Reichweite), der als universelles 3D-Applikationsmodul für komplexe 2D- und 3D-FSW-Anwendungen dient. Zweitens die modulare Rührreibschweißzelle KUKA cell4_FSW midsize single, kombiniert mit diesem Roboter für mittelgroße Anwendungen mit hoher Prozessauslastung wie etwa HEV-Batteriegehäuse. Drittens die KUKA cell4_FSW large dual, ebenfalls mit dem oben genannten Roboter, für große Anwendungen mit hoher Prozessauslastung, zum Beispiel BEV-Batteriekästen. Alle Zellen sind modular aufgebaut, skalierbar und für unterschiedliche Fertigungsumfänge im wachsenden Markt der E-Mobilität ausgelegt.

Stefan Fröhlke: Der KR Fortec ultra MT ist eine spezielle Machine-Tooling-Variante. Die Achsen 1 bis 3 wurden durch spezielle Getriebevorstufen und Motoren so ausgelegt, dass Prozesskräfte bis zu 12 kN und darüber möglich sind. Durch die neue Doppelschwinge und neuen Maschinendaten ist der Roboter extrem steif und eignet sich besonders für den FSW-Prozess. Zudem werden die Werkzeuge und Spannvorrichtungen kundenspezifisch ergänzt.

Welche Werkzeuge sind das zum Beispiel?

Till Maier: Die Möglichkeiten an verschiedenen FSW-Werkzeugen sind sehr umfangreich – vom herkömmlichen Werkzeug, bei dem sich sowohl Schulter als auch Stift drehen, über eine stationäre Schulter, bei dem nur der Stift rotiert, bis zu Bobbin-Werkzeugen und vielen weiteren Spezialausführungen.  KUKA entwickelt intensiv neue Werkzeuggeometrien, untersucht Verschleißmechanismen und arbeitet an Beschichtungen zur Erhöhung der Widerstandsfähigkeit und Lebensdauer. Gemeinsam mit Lieferanten werden neue Werkstoffe für ein optimales Preis-Leistungs-Verhältnis erprobt. Nach Erfahrung von KUKA bieten Werkzeuge mit feststehender Schulter die beste Lösung: Sie ermöglichen eine hohe Schweißqualität, eine glatte, gleichmäßige Schweißoberfläche und reduzieren den Nacharbeitsaufwand erheblich.

Kunden  argumentieren oft, dass roboterbasiertes FSW ihre Anforderungen nicht erfüllt, da die Roboter nicht steif genug sind, und stecken viel Geld in große Portal-Anlagen. Was entgegen Sie denen?

Stefan Fröhlke: Der neue KR Fortec ultra MT und der etablierte KR 500 MT sind ausreichend steif, präzise und durch stärkere Motoren leistungsfähig genug, um FSW-Prozesse für die meisten Anwendungen aus der E-Mobilität präzise auszuführen. Zusätzlich steht ein Pfadkalibrierungssystem zur Verfügung: Ein Lasertracker erfasst während des Schweißprozesses die Roboterposition, sodass in Echtzeit nachgeregelt werden kann. Mit einer Bahngenauigkeit von unter 0,5 mm sind präzise Schweißnähte möglich. Insgesamt hält das Robotersystem den hohen FSW-Kräften sehr gut stand.

Till Maier: Der KR Fortec ultra MT kann bis zu 20 % höhere Prozesskräfte bereitstellen. Die seit Frühjahr 2025 verfügbaren Modelle bieten Reichweiten bis 3.400 mm und erweitern damit den effektiven Arbeitsbereich beim Rührreibschweißen. Bereits zuvor wurde der KR Fortec in den vergangenen Jahren am häufigsten für FSW-Anwendungen eingesetzt.

KUKA bietet mit dem KR FORTEC ultra MT nicht nur einen speziell für FSW entwickelten Roboter an, sondern berät Kunden im Bereich der E-Mobilität auch während des gesamten Automatisierungsprozesses. - © KUKA
KUKA bietet mit dem KR FORTEC ultra MT nicht nur einen speziell für FSW entwickelten Roboter an, sondern berät Kunden im Bereich der E-Mobilität auch während des gesamten Automatisierungsprozesses. © KUKA
Haben Sie ein paar Beispiele für Anwendungen in der Praxis?

Till Maier: Wir haben derzeit einen Folgeauftrag über 12 FSW-Zellen eines großen US-Automobilherstellers erhalten, der zuvor bereits 23 Zellen bestellt hatte. Die Zellen werden in mehreren Fertigungsschritten eingesetzt: Die Roboter schweißen zunächst Batterieträger zusammen und verbinden anschließend Kühlbleche mit den Baterrieträgern. KUKA übernimmt dabei nicht nur die Technologie, sondern den gesamten Rührreibschweißprozess einschließlich Montage, Inbetriebnahme, Schulung und Endabnahme. Die umgerüstete Produktionsanlage ermöglicht es zudem, Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor, Hybrid- und Elektrofahrzeuge auf denselben Produktionslinien zu fertigen.

Stefan Fröhlke: Dies ist bemerkenswert, da Hybridfahrzeuge und rein batterieelektrische Fahrzeuge sehr unterschiedliche Produktionsanforderungen haben. Hybridfahrzeuge besitzen kleinere Batteriegehäuse aus Aluminiumguss mit integrierten Kühlkanälen, die geschlossen werden müssen. Bei batterieelektrischen Fahrzeugen sind die Gehäuse deutlich größer und schwerer; sie bestehen aus vielen Komponenten aus unterschiedlichen Aluminiumlegierungen.

Till Maier: Seit 2022 stehen acht unserer Roboter – darunter drei FSW-Applikationsmodule mit dem KR 500 MT Fortec in drei KUKA cell4_FSW-Zellen – bei einem Automobilzulieferer in Portugal. Dieser war mit der Schweißqualität einer Anlage eines anderen Herstellers unzufrieden. Wir entwickelten zunächst eine Anlage mit zwei Zellen und je einem KR 500 MT Fortec. Aufgrund der Möglichkeit, auf einer Anlage unterschiedliche Batteriekästen zu schweißen, bestellte der Kunde anschließend eine weitere Anlage: eine Zelle mit einem Roboter, der drei Vorrichtungen bedienen kann. So lassen sich drei verschiedene Schweißaufgaben ausführen, für die sonst drei nicht-roboterbasierte Anlagen notwendig wären. Der Rührreibschweißroboter kann dabei bis zu 95 % ausgelastet werden, da die Vorrichtungen während des Schweißens in einem separaten Sicherheitsbereich be- und entladen werden können.

Sie haben mehrfach auf die besondere Bedeutung der Schweißqualität in der E-Mobilität hingewiesen. Wie kann diese gewährleistet werden?

Till Maier: In der Automobilindustrie muss eine Schweißung vollständig korrekt und sicher sein, denn Batteriegehäuse sind crashrelevante Bauteile. Um kostspielige Rückrufe zu vermeiden, sind Prozesssicherheit und eine umfassende Dokumentation aller Prozessparameter zwingend erforderlich. Daher haben wir bei KUKA eine spezielle Steuerung zur Prozessüberwachung entwickelt: PCD (Parameter Control and Documentation). Sie ermöglicht die Überwachung und Speicherung aller relevanten Prozessdaten im 100-Millisekunden-Takt; zudem können die Daten über eine Schnittstelle in anderen Systemen weiterverarbeitet werden.

Till Maier ist Portfolio Manager für Advanced Welding Solutions (AWS) bei KUKA und berät Kunden in allen Stufen ihres FSW-Automatisierungsprojekts. - © KUKA
Till Maier ist Portfolio Manager für Advanced Welding Solutions (AWS) bei KUKA und berät Kunden in allen Stufen ihres FSW-Automatisierungsprojekts. © KUKA
Welche Rolle wird in Zukunft die KI bei der Prozessüberwachung spielen?

Stefan Fröhlke: Eine große. Daher arbeiten wir gemeinsam mit weiteren Partnern im KI-Produktionsnetzwerk der Universität Augsburg in einem öffentlich geförderten Projekt des Bayerischen Verbundforschungsprogramms an einem KI-gestützten Prozessüberwachungssystem. Dabei erfassen verschiedene Sensoren Kräfte, Temperaturen und Schwingungen während des Schweißens, mit Fokus auf Signale im Ultraschallbereich. Die KI wertet die umfangreichen Sensordaten aus und die Forschenden ordnen sie den Vorgängen im Schweißprozess zu. Bestimmte Muster in den Daten können dann darauf hinweisen, dass eine Schweißnaht nicht sauber ausgeführt wurde.

Sie haben nun viele Gründe geliefert, weshalb sich Interessenten am Rührreibschweißen an KUKA wenden sollten. Was ist der wichtigste?

Till Maier: Was uns von Mitbewerbern unterscheidet, ist unsere Gesamtkompetenz. Einige Unternehmen liefern lediglich den Roboter, andere die Spindel oder spezielle Werkzeuge, verfügen jedoch nicht über das erforderliche Prozesswissen. Wir bieten alle Komponenten, Prozesse und das nötige Know-how aus einer Hand. Zudem entwickeln und programmieren wir unsere Roboter so, dass sie auf die jeweiligen Kundenanforderungen abgestimmt sind. Damit haben wir von der Konzeption bis zur Umsetzung Einfluss auf alle relevanten Prozessschritte.

Stefan Fröhlke: Durch die direkte Zusammenarbeit mit den Endkunden gewinnen wir wertvolle Erfahrungen, die kontinuierlich in unsere Lösungen einfließen. Als Integratoren tragen wir die Verantwortung für die Anlagenqualität und lösen auch komplexe Aufgaben mit verschiedenen Methoden. Bei Bedarf bieten wir den Kunden zudem komplette, schlüsselfertige Lösungen, die auf ihre spezifischen Anforderungen abgestimmt sind.

(Quelle: KUKA Deutschland GmbH)

 

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